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Im Allgemeinen erwirbt ein kleines Kind Sprache leicht. Es produziert Laute in verschiedenen Situationen und auf Grund der vorgenommenen Wiederholungen und Korrekturen, denen es sich anpasst, werden seine Sprechbewegungen in der Situation adäquater. In dem Maße, wie die Sprechbewegungen häufiger eingesetzt werden und keine Korrekturen erhalten, werden die Bewegungen automatisiert.
Über die Sprache werden Erfahrungenüber Generationen weitergegeben, sie beeinflusst Denken und Erkennen des Kindes. Sprache ermöglicht den Austauschüber Vergangenes, Zukünftiges und Abwesendes. Einige Kinder erwerben sie dennoch aus unterschiedlichen Gründen nicht ohne besondere Unterstützung. In der Fachliteratur werden Menschen, die nicht sprechen können, auch als Pen bezeichnet. In Berlin betrug im Jahre 1996 deren Zahl 1409, das entspricht 0,36 % aller Schüler. Dessen ungeachtet haben diese Kinder natürlich Wünsche und Bedürfnisse, die sie aber häufig nicht in sozial verträglicher Weise artikulieren können.
Es ist nahe liegend, dass Eltern und Therapeuten zunächst versuchen, die verbale Kommunikationsfähigkeit eines Kindes auszubilden, wenn dessen Sprachentwicklung nicht oder nicht wie erwartet einsetzt. Es existiert aus diesem Grund eine Reihe unterschiedlicher therapeutischer Ansätze zur Förderung der verbalen Kommunikation, von denen an dieser Stelle einige kurz skizziert werden sollen.
Nach dem ersten Weltkrieg entwickelte MILDRED A. MCGINNIS in den USA eine Therapietechnik, die sie Assoziationsmethodenannte. Trotz ihres Erfolges in den USA blieb diese Technik in Europa weitgehend unbeachtet bzw. wurde sogar abgelehnt. Die von MCGINNIS gewählte Terminologie verweist auf das Verfahrensprinzip. Die Lautsprache wird über gezielt hergestellte Assoziationen angebahnt und ausgebaut. Gesprochene und geschriebene Sprache werden in jedem Lernschritt miteinander verknüpft. Dabei erfolgt der Therapieaufbau in drei Abschnitten: das Kind wird zunächst zum Wort, dann zum Satz und schließlich zum Text geführt. Der erste und grundlegende Arbeitsschritt beginnt mit dem Training einzelner Laute und Buchstaben. Dabei werden zunächst solche ausgewählt, die möglichst geringe Anforderungen an die Artikulationsmotorik stellen. Sobald drei Konsonanten und drei Vokale beherrscht werden, beginnt das Training von Silben. Zugleich werden weitere Laute angebahnt. Andere Programme basieren auf der Methode der Verhaltensmodifikation. Es handelt sich dabei um ein lerntheoretisch fundiertes Vorgehen.
Im ersten Therapieschritt soll die Aufmerksamkeit des Kindes auf den Therapeuten gerichtet werden. Deshalb werden der Blickkontakt bzw. das Anschauen des Gesichtes des Therapeuten belohnt, in der Fachterminologie heißt das verstärkt. Die Kinder sollen lernen, den Therapeuten auf eine Aufforderung hin anzusehen. Durch eine reizarme Umgebung wird versucht, unnötige Ablenkung des Kindes auszuschalten.
Im zweiten Therapieschritt soll das Kind lernen, nonverbal den Therapeuten zu imitieren. Zunächst soll es grobmotorische, später feinere Reaktionen und schließlich die Mundmotorik imitieren.
Im dritten Therapieschritt soll das Kind Laute nachahmen. Bei Kindern, die kein spontanes Imitationsverhalten zeigen, muss auch dieses Ziel in mehrere Schritte unterteilt werden. Am Anfang werden alle Vokalisationen des Kindes belohnt, später nur die, die auf die Vokalisation des Therapeuten hin erfolgen. Zunächst wird nicht darauf geachtet, ob die Vokalisation des Kindes jener des Therapeuten entspricht. Allmählich wird aber nur die belohnt, die der des Therapeuten ähnlich ist. Dazu werden anfangs Laute ausgewählt, bei denen manuelle Hilfen möglich und die Artikulationsstellungen deutlich sichtbar sind bzw. auch jene, die das Kind bereits vor der Therapie spontan geäußert hat. Über die Imitation von Lautfolgen gelangt man zur Nachahmung vorgesprochener Wörter. Der Übergang von Einzellauten zu Lautfolgen gelingt über Vorwärts- bzw. Rückwärtsverkettungen. Vorwärtsverkettung bedeutet, man verbindet den ersten Laut mit dem zweiten, dann mit dem dritten usw. Bei der Rückwärtsverkettung hingegen werden zunächst der vorletzte mit dem letzten Laut verbunden, dann der vor dem vorletzten hinzugefügt usw.
Im letzten Therapieschritt soll der Aufbau kommunikativer Sprache erfolgen. Verschiedene Sprachaufbauprogramme unterscheiden sich danach, in welcher Reihenfolge grammatische Formen eingeführt werden. Gleichzeitig zu Schritt drei und vier muss das Sprachverständnis der Kinder erweitert werden.
Trotz der Therapiebestrebungen bleibt ein Viertel der Kinder weiterhin nonverbal und mehr als die Hälfte erlernt nur, einzelne Gegenstände zu benennen. Die Kinder, die bereits vor Therapiebeginn echolalieren und wenigstens Gegenstände benennen, haben eine gute Therapieprognose. Außerdem ist das Ausmaß des anfänglichen Sprachverständnisses für den Erfolg entscheidend.
Die Formulierung konkreter Lernziele hat in verschiedenen Sprachaufbauprogrammen dazu geführt, dass Syntax, Semantik und Pragmatik isoliert unterrichtet werden. Dabei kommen Kontext und Mitteilungswert der Äußerungen für die Kinder z.T. zu kurz. Im Mittelpunkt steht nicht der kommunikative Aspekt der Sprache. Die Folge davon ist, dass es häufig nicht zur Anwendung des Erlernten außerhalb der Therapie kommt.
Andere Sprachtherapeuten arbeiten psycholinguistisch orientiert. Sie gehen davon aus, dass man sich in der Therapie am normalen Spracherwerb orientieren müsse. Die Sprachentwicklung erfolgt bei Kindern ohne Behinderung im Allgemeinen in der Interaktion. Auch in der Therapie ist deshalb die Interaktion die favorisierte Lernsituation. Sprache wird vor allem als Kommunikationsmittel verstanden. Ziel ist immer der kommunikative Sprachgebrauch. Es werden deshalb nicht einzelne Komponenten, sondern aufeinander bezogene Kategorien erlernt. Die aktuelle Situation und die Interessen der Kinder bilden den Ausgangspunkt der Therapie.
Ein weiteres Verfahren ist das der Kommunikativen Sprachtherapie. Bei seiner Anwendung werden die spontanen Interessen und Handlungen des Kindes genutzt, um sie zu eigenen sprachlichen Äußerungen anzuregen. Die Aufgabe des Therapeuten ist die Verbalisierung des jeweils vorherrschenden Bed ürfnisses oder der Empfindung des Kindes. Das Kind muss Vorgesprochene zunächst silbenweise, später in größeren Einheiten wiederholen.
Als Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz der Kommunikativen Sprachtherapie müssen die Kinder ein gewisses Sprachverständnis haben, sie müssen einfache Laute und Silben bilden und imitieren können.
Auch in den Bereich der Therapie von Störungen der verbalen Kommunikation haben die neuen Medien längst Einzug gehalten. Es gibt Computerprogramme, die die Entwicklung der verbalen Fähigkeiten unterstützen. Eines dieser Programme ist Fast ForWord, ein spielerisch aufgebautes Computerprogramm, das im Rahmen einer Untersuchung zur Verbesserung der Fähigkeiten in der verbalen Kommunikation eingesetzt worden ist. Häufig bietet allein das Medium Computer für Kinder eine hohe Motivation zur Mitarbeit.
Einigen Kindern, darunter diejenigen mit autistischer Behinderung, gelingt es mit Hilfe dieser therapeutischen Ansätze aber häufig nicht, eine spontane und von den Betroffenen initiierte Kommunikation zu entwickeln. Der Erfolg ist auch in Frage gestellt, wenn es den Kindern nicht ausreichend gelingt, zu imitieren. Um ihnen dennoch einen befriedigenden kommunikativen Austausch zu ermöglichen, muss nach alternativen Kommunikationsmöglichkeiten gesucht werden. Eine ist PECS.
PECS ist eine Kommunikationsmethode, die auf dem Austausch von Karten beruht und die in der Zwischenzeit in den USA und England Verbreitung gefunden hat. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es erste Erfahrungen mit ihrem Einsatz. Sie wurde von ANDREW BONDY und LORI FROST vom Delaware Autistic Program entwickelt.
Beide hatten beobachtet, dass Kinder mit autistischer Behinderung zumeist wenig Interesse an den Formen der Kommunikation mit anderen Menschen hatten, die hauptsächlich beziehungsstabilisierend wirken und darauf abzielen, die Aufmerksamkeit der Interaktionspartner auf einen gemeinsamen Gegenstand zu lenken. So zeigt ein Kleinkind mit autistischer Behinderung im Allgemeinen seiner Mutter nicht den Vogel auf dem Balkon und begleitet dies mit dem Wort „Vogel“. In diesem Fall hätte die Kommunikation des Kindes allein der Funktion gedient, die Aufmerksamkeit der Mutter auf ein Objekt zu richten. Man spricht auch von „geteilter Aufmerksamkeit“.
Diese Kinder sind aber in dem Moment motiviert, wo es um die unmittelbare Befriedigung ihrer Bedürfnisse geht. Davon gehen auch MARIAN SIGMAN und LISA CAPPS aus:
„When children with autism do engage in triadic interaction, then, it is generally to make a request, and very rarely to share an emotion or experience.“ (In deutscher Übersetzung: “Wenn sich autistische Kinder auf triadische Kommunikation einlassen, haben sie im allgemeinen ein konkretes Anliegen; nur äußerst selten geht es ihnen dabei darum, ein Gefühl oder eine Erfahrung mit anderen zu teilen.”)
Dem entsprechend werden beim Einsatz von PECS die Bedürfnisse zum Ausgangspunkt für die Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten.
Das Vorgehen ist verhaltenstherapeutisch
orientiert und erfordert kein großes Vortraining.
Die grundlegenden Prinzipien bestehen
in der Strukturierung der Lernumgebung,
spezifischen Übungssituationen, dem
Einsatz von Verstärkern und der exakten
Planung und Dokumentation der Intervention.
Auch der Materialaufwand ist sehr
begrenzt. Das Design und die Aufeinanderfolge
der Trainingsschritte sind beeinflusst
von den Arbeiten SKINNERs. SKINNER führte
den Begriff des operanten Konditionierens
ein. Damit wird Lernen bezeichnet, bei
dem ein Verstärker und eine Reaktion miteinander
verbunden werden. Er ging davon
aus, dass Belohnung und Bestrafung
die Häufigkeit eines bestimmten Verhaltens
verändern.
In einem ersten Schritt müssen Dinge gefunden werden, die der Betroffene sehr begehrt. Bei vielen Menschen mit autistischer Behinderung sind soziale Verstärker, die in der ungestörten Entwicklung hoch wirksam sind, ohne Effekt.
Die neuronale Grundlage der Nervenzellen, die den Menschen mit angenehmen Emotionen belohnen, liegt im Mittelhirn. Von hier aus werden die Informationen in andere Hirnregionen weitergeleitet, wo sie den Botenstoff Dopamin freisetzen. Das Verhalten jedes Menschen ist stark vom Verlangen nach Belohnung bestimmt. Sind die natürlich gegebenen Belohnungssysteme nicht wirksam, z.B. das Lächeln der Mutter, ihr Streicheln und Liebkosen, freundliche Worte, ein aufmunterndes Loben, müssen andere Verstärker gefunden werden. Man kann primäre, biologisch gegebene Verstärker, z.B. Nahrung, und sekundäre, gelernte Verstärker, z.B. Unternehmungen oder stereotype Handlungen, unterscheiden. Verstärker können je nach Entwicklungstand des Kindes sofort gegeben oder als Token angespart und eingetauscht werden. Anfangs werden die Verstärker sofort nach Auftreten des gewünschten Verhaltens gegeben, später in bestimmten Intervallen oder auch in unregelmäßigen Abständen.
PECS beruht auf der Grundidee, dass das Kind dem Kommunikationspartner eine Karte gibt, auf der das gewünschte Objekt oder die bevorzugte Aktivität abgebildet ist. Der Partner hält die Karte an seinen Mund, verbalisiert den Wunsch des Kindes und erfüllt ihn sofort. Es wird nicht erwartet, dass das Kind nachspricht. Der Kommunikationspartner sitzt dazu dem Kind an einem Tisch gegenüber und hält das Objekt sichtbar in der Hand. Er “verlockt” es damit.
Hinter dem Kind steht ein Helfer. Dessen Aufgabe besteht nicht in der Interaktion mit dem Kind, sondern darin, es dabei zu unterstützen, eine Karte auf dem Tisch liegende zu ergreifen und sie dem Kommunikationspartner zu reichen. Dabei nutzt er den Impuls des Kindes, nach dem geliebten Objekt zu greifen und leitet sie um in die Bewegung zum Ergreifen, Weiterreichen und Ablegen der Karte in der Hand des Kommunikationspartners. Seine Hilfe muss er in den folgenden Übungssequenzen schrittweise ausblenden. Außerdem unterbricht der Helfer störendes Verhalten.
Der Kommunikationspartner muss seine Hand im richtigen Moment öffnen, um die Karte in Empfang zu nehmen. Die sofortige Wunscherfüllung, die innerhalb einer halben Sekunde erfolgen sollte, stellt den Verstärker im verhaltenstherapeutischen Sinne dar. Anschließend wird die Karte wieder auf den Tisch zurückgelegt.
Häufig ist schon nach wenigen Trainingsdurchläufen die Unterstützung des Helfers nicht mehr notwendig. Voraussetzung ist, dass die Vorlieben des Kindes genau beobachtet wurden und solche Wünsche ausgewählt wurden, die problemlos und mehrere Male nacheinander erfüllt werden können. Während dieser ersten Phase steht dem Kind nur eine einzige Karte zur Verfügung. Es gibt keine verbalen Hilfen. Das Kind kommt immer zum Erfolg. Macht es einen Fehler, führt der Helfer es bis zu dem Punkt zurück, an dem der letzte Schritt korrekt vollendet wurde, und unterstützt dann den weiteren Austausch.
Wird diese Anforderung von dem Kind bewältigt, lernt es, das Bild auch aus einem Ringbuch zu nehmen, in dem es mit einem Klettband angeheftet ist. Schrittweise wird die Distanz zwischen dem Kommunikationspartner und dem Kind vergrößert, später die Distanz zwischen Kommunikationsbuch und Kind.
Erst in einer nächsten Phase wird begonnen, die Unterscheidung zwischen mehreren Bildern zu üben. Dazu muss das Kindlernen, die Karten mit Darstellungen von bevorzugten von abgelehnten Dingen zu unterscheiden. Später wählt es auch zwischen verschiedenen gewünschten Objekten oder Handlungen. Die Unterscheidungsfähigkeit kann unterstützt werden, indem die Karten zunächst in unterschiedlicher Größe oder in verschiedener Farbigkeit angeboten werden.
Beherrscht das Kind auch die Diskrimination, kann zu abstrakteren Wünschen übergegangen werden. Danach lernt das Kind, Bilder zu kombinieren. Es beginnt, Satzstrukturen zu bilden. Im nächsten Schritt lernt es, auf die Frage: “Was möchtest du?” zu antworten. Erst danach wird das Kommentieren geübt. Jede Trainingseinheit sollte beendet werden, bevor das Interesse des Kindes erlischt.
Die Karten können auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus gestaltet werden: als Grundlage für Realobjekte, z.B. aufgeklebten Smarties, als Fotos, als Zeichnungen oder Piktogramme. Bei den Piktogrammen sind wiederum verschiedene Abstraktionen möglich: leicht verständliche Silhouetten, Zeichen, die man sich erst mit Mühe erschließen kann, wie das Verkehrszeichen „Gefälle“ und Symbole, die nicht aus Bildern abgeleitet werden können, denen die Kommunikationspartner willkürlich eine bestimmte Bedeutung zugewiesen haben. Umso allgemeinverständlicher eine Karte ist, umso leichter wird es dem Betroffenen allerdings sein, mit einer Vielzahl verschiedener Menschen zu kommunizieren. Im Sinne der Integration wäre dies zu unterstützen.
In einer ersten empirischen Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass von den 66 Kindern, die mindestens ein Jahr lang PECS anwendeten, 44 es lernten unabhängig zu sprechen, weitere 14 konnten unterstützt von den Bildkarten einzelne Wörter sprechen.
In einer anderen Untersuchung von 20 Vorschülern in der Zeit von 1997 bis 1992 nutzen 14 die Sprache zur Kommunikation, drei eine Kombination aus Sprache und PECS und weitere drei entwickelten keine funktionale Sprache.
Ein Vorteil der Methode besteht darin, dass der Einsatz von Bildern hilft, die Wahrnehmungsbesonderheiten von Menschen mit autistischer Behinderung zu kompensieren, die den Umgang mit der Lautsprache erschweren können. DONNA WILLIAMS hat während eines Interviews, das u.a. auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, erklärt, dass sie sieben Sekunden benötigt, um eine akustische Information zu verarbeiten und reagieren zu können. Wird sie mit mehr als einer kurzen sprachlichen Einheit konfrontiert, ist es ihr unmöglich, der Rede Sinn zu entnehmen. Die verlängerte Informationsverarbeitungszeit im Bereich der akustischen Wahrnehmung ist ein Bestandteil der Interpretationsprobleme, die viele Menschen mit autistischer Behinderung haben. SUSANNE NIEß beschreibt ihre verlängerte Informationsverarbeitungszeit folgendermaßen:
„Auch wenn ich für eine Autistin außergewöhnlich gut sprechen kann, habe ich Schwierigkeiten, jemandem schnell zu antworten. Zuerst muss ich merken, dass ich angesprochen worden bin. Dann muss ich ‚untersuchen‘, was das Gesagte bedeutet. Wenn ich das verstanden habe, muss ich mir die Antwort überlegen und in Worte fassen. Dann muss ich meinen Mund in Bewegung setzen und sie sagen. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Brieffreundin im Land Krksts, und schreiben ihr Briefe in der Landessprache Krkstst. Nach einigen Jahren lädt ihre Freundin sie ein und sie fliegen zu ihr nach Krksts. Am Tag nach der Ankunft sitzen sie gerade im Schaukelstuhl, als Ihnen klar wird, daß das Geräusch, das Sie hören, nicht von einer kaputten Maschine kommt, sondern von ihrer Brieffreundin, die fragt: ‚Xlplt rkrtzp krprzbl stltmk?‘ Was heißt das bloß? Schließlich fällt es Ihnen ein: ‚Hast du meine Brille gesehen?‘ Tja, irgendwo haben Sie sie gesehen. Ach ja, sie liegt neben dem Telefon. Aber wie heißt das auf Krkstst? Sie übersetzen also: ‚Sie liegt neben dem Telefon` das müsste heißen: ‚Twrklrk spn pnlxtz xraknlkp‘. So etwas in einem Brief zu schreiben ist ja gut und schön. aber es aussprechen? Ihnen gelingt es, und so antworten Sie schließlich Ihrer Freundin, die inzwischen längst ungeduldig geworden ist und die Frage noch einmal lauter wiederholt hat. Ihre Klassenkameradin, die ebenfalls zu einer Freundin nach Krkst geflogen war, ist das nicht gelungen: Sie konnte sich bis zu ihrer verfrühten Heimreise nur schriftlich verständigen (wie viele Autisten).“
Bilder bieten den Vorteil, dass Aufnahme und Verarbeitung der Informationen in einem selbst gewählten Tempo erfolgen können. Das Bild ist auch nach sieben Sekunden noch dekodierbar, das Wort ist vergänglich und nicht mehr präsent.
Nun ist PECS keinesfalls das einzige System, dessen Einsatz alternative Möglichkeiten zur verbalen Kommunikation eröffnet. Sie hat anderen Methoden gegenüber Voraber auch Nachteile, die gewissenhaft abgewogen werden müssen, bevor man sich für ihren Einsatz entscheidet.
Bei der Gestützten Kommunikation handelt es sich um eine Methode, die es manchen Menschen mit fehlender oder beeinträchtigter Sprache ermöglicht, sich durch Zeigen auf Bilder, Symbole oder Buchstaben mitzuteilen. Ein Helfer gibt dabei durch das Halten der Hand oder des Armes eine physische und psychische Stütze.
Die Gestützte Kommunikation ist eine sehr umstrittene Kommunikationsmethode. Ihr eindeutiger Vorteil gegenüber PECS besteht in der unbegrenzten Möglichkeit des Ausdrucks, der durch den Einsatz von Buchstaben gegeben ist.
Nachteilig ist hingegen, dass das Stützen erst erlernt werden muss. Es ist also der Austausch mit anderen nur dann möglich, wenn eine Person mit der Fähigkeit zu stützen anwesend ist. Es besteht also eine Abhängigkeit von einem anderen Menschen. In aller Regel initiiert nicht der Betroffene die Kommunikation, sondern der Kommunikationspartner. Doch selbst wenn die Kommunikation gelingt, kann von einem Außenstehenden kaum beurteilt werden, wer Autor der Aussagen ist. Zweifel und Anwürfe von Dritten stehen an der Tagesordnung.
Eine andere Methode ist der Einsatz von Gebärden. Das Erlernen von Lautmustern stellt offensichtlich höhere Anforderungen als das Erlernen von Handzeichen.
Man kann verschiedene Formen der Gebärdensprache unterscheiden. Zum ersten wäre die Lautsprachbegleitende Gebärdensprache zu nennen. Hier werden zwar die gleichen Zeichen verwandt wie in der Gebärdensprache Gehörloser, die Wortfolge entspricht aber der der Lautsprache. Die Lautsprache dominiert. Es werden auch Wörter gebärdet, für die in der Gebärdensprache Gehörloser keine Zeichen existieren, z.B. Artikel und Präpositionen.
Die Deutsche Gebärdensprache ist ein komplexes Zeichensystem, deren Instrument der ganze Körper ist. Den Armen und Händen sowie der Mimik kommt eine besondere Bedeutung zu. Für die korrekte Ausführung der Gebärden sind vier manuelle Komponenten zu beachten:
1. Handformen. Es gibt 30 verschiedene Handformen, angelehnt an das graphembezogene Manualsystem.
2. Handstellung, also wie die Hand im Raum steht.
3. Ausführungsstelle, wo steht die Hand im Gebärdenraum.
4. Bewegung, welche Bewegung muss die Hand ausführen.
Hinzu kommt eine nicht-anuelle Komponente, z.B. die Mimik.
Die Deutsche Gebärdensprache umfasst einen umfangreichen Wortschatz. Dabei können aber verschiedene Wörter dieselbe Gebärde (z.B. weiß und Zähne) bzw. dasselbe Wort verschiedene Gebärden (z.B. Mutter) haben. Die Grammatik der Deutsche Gebärdensprache ist von der der Lautsprache verschieden. Die einzelnen Wortarten werden nicht so strikt unterschieden. Aus der Gebärdenführung und dem Zusammenhang des Gebärdensatzes wird deutlich, ob es ein Gegenstand oder eine Eigenschaft gemeint ist. Endungen werden nicht gekennzeichnet, zur grammatikalischen Form werden zusätzliche Gebärden benutzt. So können die in der Lautsprache enthaltenen grammatikalischen Merkmale artikuliert werden. Die Wortfolge ist anders als die der Lautsprache. Die Anordnung der Gebärden erfolgt nicht nach bestimmten Regeln, sondern mehr nach psychologischen Prinzipien, d.h. das am stärksten Betonte, das Bedeutsame kommt zuerst, inhaltlich zusammengehörende Teile werden zusammen gebärdet.
Die Verwendung von Handzeichen bietet die Vorteile, dass keine zusätzlichen Hilfsmittel zur Kommunikation benötigt werden und zugleich ein differenzierter Ausdruck möglich ist, da die Anzahl der Zeichennicht begrenzt ist. Gegenüber der gesprochenen Sprache ergibt sich der Vorteil, dass die Gebärden leichter durch den Therapeuten geformt werden können, als die Artikulationsstellung kontrolliert werden kann.
Demgegenüber stehen als Nachteile die Vergänglichkeit in der Zeit, wenngleich Handzeichen in der Regel eine längere Darbietungsdauer haben als sprachliche Äußerungen (vgl. ebd. 19). Auch wenn es um die allgemeine Verständlichkeit geht, kann man feststellen, dass abgesehen von einigen wenigen auch im Alltag gebräuchlichen Gebärden, diese für Außenstehende ohne Unterweisung nicht verständlich sind. Zudem gibt es in unterschiedlichen Ländern, ja selbst in jedem Land mehrere nebeneinander bestehende Handzeichensysteme. Die Symbolkärtchen bei PECS können hingegen mühelos so gestaltet werden, dass sie auch für fremde Personen eine kommunikative Wirksamkeit erlangen, beispielsweise indem man das entsprechende Schriftbild hinzufügt.
Als Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz von Handzeichen gelten Aufmerksamkeit, willkürliche Beweglichkeit der Arme, Hände und Finger, die Fähigkeit zur Nachahmung und zur visuellen Diskrimination. Es wird allerdings unterschiedlich entschieden, ob diese Fähigkeit bereits vorhanden sein muss, bevor man die Handzeichen einführt, oder ob der Einsatz von Handzeichen diese Fähigkeiten zugleich entwickeln hilft.
Auch Bilder können zur Kommunikation eingesetzt werden, ohne im Sinne von PECS vorrangig dem Austausch zu dienen. Ein Beispiel ist die Kommunikation mit Bliss- Symbolen.
Das Bliss-System ist ein piktographisches und ideographisches Symbolsystem. Bliss- Symbole haben einen hohen Grad an Abstraktion. Die Grundelemente der Symbole werden durch logischen Aufbau zu einer Vielzahl von Symbolen zusammengesetzt. Diese haben verschiedene Bedeutungen, die durch Form und Richtung der Striche, durch Größe und Position des Symbols, durch die Zwischenräume innerhalb der Symbolelemente, durch die Winkelgröße, die Richtung, Präzisierungen innerhalb des Symbols, durch Ziffern und Positionen der Symbolelemente verändert werden können (ADAM, 271 ff.). Dadurch ist das System logisch und zugleich offen.
Inspiriert durch chinesische Schriftzeichen, hatte es CHARLES BLISS, der als KARL BLITZ in Österreich geboren worden war, in den Jahren 1942-49 ursprünglich als Mittel zur Völkerverständigung entwickelt. Der Einsatz als alternatives Kommunikationssystem für Menschen ohne verbale Sprache war von ihm nicht beabsichtigt. Erst im Jahre 1971 wurde das Bliss-Symbol-System dann im Ontario Crippled Children’s Centre eingesetzt. Seit 1980 findet es auch in der Bundesrepublik zunehmend Verwendung. Es bleibt aber die Frage, ob derjenige, dem sich dieses abstrakte System erschließt, nicht auch im Umgang mit der Schriftsprache unterrichtet werden könnte.
Der Vorteil des Bliss-Systems gegenüber PECS besteht darin, dass es grundsätzlich möglich ist, jeden Gedanken auszudrücken. Nachteilig ist hingegen, dass in keinem Fall eine Allgemeinverständlichkeit der Zeichen gegeben ist. Eine Kommunikation ist also nur mit einem eingeschränkten und unterwiesenen Personenkreis möglich.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass das PECS für Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt verbal kommunizieren können, ein geeignetes Mittel der Kommunikation darstellen kann. Dies gilt insbesondere, wenn sie Schwierigkeiten in der Imitation haben und kein spontanes Interesse an geteilter Aufmerksamkeit zeigen. Das PECS verlangt weder einen kostenintensiven Materialeinsatz, noch eine langwierige Ausbildung der Pädagogen. Das Training der Kinder ist in kurzen Zeitintervallen möglich und lässt sich dadurch gut in den Tagesablauf in Schule und Elternhaus integrieren. Alle notwendigen Karten lassen sich so gestalten, dass eine Allgemeinverständlichkeit gewährleistet ist und so die soziale Integration unterstützt werden kann.
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